* Achtung Ironie - Menschen, die aufgrund einer tatsächlich vorhandenen Störung oder Krankheit vergleichbare Einschränkungen haben, sind hier nicht gemeint.
Es gibt viel Diskussion darüber, ob Hochsensibilität eine Gabe oder eine Einschränkung oder gar eine Krankheit ist. Ja, die Vielfühligen haben es nicht immer leicht mit ihren Veranlagungen und Fähigkeiten, darüber herrscht Einigkeit. Doch wer hat sich je die andere Seite des Gugelhupfs angesehen? Wenn man davon ausgeht, dass es Menschen gibt, die viel empfinden, gibt es auch welche am anderen Ende der Verteilung. Wenn man denkt, dass Empathie eine Eigenschaft ist, die manchen in besonders hohem Maß gegeben ist, dann gibt es auch welche, bei denen sie unterrepräsentiert ist. Wenn man denkt, dass die Fähigkeit, sich in die Schuhe des anderen zu stellen und die Welt aus seiner Perspektive zu betrachten eine ist, die Hochsensible auszeichnet, dann gibt es auch welche, die das nicht können.
Sind sie nicht besonders eingeschränkt, diese Menschen, die mit wenig Empathie die Welt nur durch eine einzige, die eigene Brille anschauen können? Möglicherweise handelt es sich dabei um eine Krankheit oder gar eine Behinderung im Sinne des deutschen Sozialrechts. Das SGB IX definiert in § 2 Abs. 1 den Begriff der Behinderung. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, ihre geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und sie daher in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sind.
Das macht doch nachdenklich, oder?
Behindert ist etwas, was man nicht sein möchte. Sogar die Jugendsprache hat das Attribut in ihren Wortschatz aufgenommen für ein Verhalten, das unfassbar dämlich ist und ein "normaler" Mensch nie tun würde ("Du bist ja voll behindert, eh!"). Behindert ist mit normal nicht vereinbar, Normale sind nicht behindert. Be-hinderte sind durch eine wie-auch-immer-geartete Einschränkung daran ge-hindert, so zu sein, wie andere. Im schlimmsten Fall sind sie sogar schwer-behindert, was durch einen entsprechenden Ausweis dokumentiert wird, mit dem man günstiger ins Schwimmbad kommt.
Ich möchte das Störungsbild genauer unter die Lupe nehmen, um zu sehen, ob aus den unten näher beschriebenen Einschränkungen ein Krankheitsbild abzuleiten ist, das evtl. Heilungschancen hat und aus dem womöglich das Recht auf Anerkennung einer Behinderung abgeleitet werden kann.
Bei der Unfähigkeit zum Perspektivwechsel, kurz UzP genannt, handelt es sich um das Unvermögen einer Person, sich in andere hineinversetzen, die Wirkung des eigenen Handelns auf andere antizipieren und sich somit im Sprechen und Handeln auf die Mitmenschen einstellen zu können, ohne dass diese Schaden an Geist, Körper oder Seele nehmen.
Äußerungen ihres Gegenübers, die verbal ein Uninteressiert-, Gelangweilt-, Verletzt-, Enttäuscht-, Entnervt-, Gestört-, Entsetzt-, Betroffen-Sein, etc. zum Ausdruck bringen, oder nonverbale Regungen wie Stirnrunzeln, Fingertrommeln, Seufzer, Augenverdrehen etc. werden nicht oder nur teilweise wahrgenommen, jedenfalls vom Symptomträger nicht in Bezug zum eigenen Verhalten gesetzt, das davon völlig unbeeinflusst bleibt.
In weniger gravierenden Fällen werden die Bemerkungen und Gefühlsregungen des Gegenübers zwar von Teilen des Bewusstseins als vorhanden identifiziert, werden aber als Problem des anderen und nur des anderen eingeordnet. Unter Umständen werden sie als störend für den eigenen Handlungsfluss erlebt und mit Unmutsäußerungen des Betroffenen quittiert.
Interessant ist, dass positive Reaktionen des Gegenübers wie Lächeln, Zustimmung, anerkennendes Nicken etc. meist viel bewusster aufgenommen und in direkte Beziehung zum eigenen Verhalten gesetzt werden, was dieses bestärkt und den Betreffenden ermuntert, damit fortzufahren. Das lässt dessen Stumpfheit für kritische Stimmen in Folge eher noch weiter anwachsen.
Bei manchen Menschen tritt die UzP bereits im Kindesalter besonders deutlich in Erscheinung, weshalb man einen genetischen Einfluss nicht ausschließen kann. Das Bunkern von Nutella-Gläsern, die nur unter Protestgeschrei herausgegeben werden, der mit Händen und Füssen bekundete Unwillen, attraktives Spielzeug mit anderen zu teilen, die selbstverständliche Art, das größte Kuchenstück zu nehmen oder das letzte. Während bei solchermaßen nicht eingeschränkten Kindern irgendwann die Erkenntnis reift, dass attraktive Güter begrenzt sind und auch andere Gefallen daran haben, bleibt bei den Symptomträgern von UzP dieses Wachstum aus. Auch als Jugendliche können sie uhrzeitunabhängig ihre Lieblingsmusik in Volllautstärke hören, platzieren ihre zahlreichen Habseligkeiten mit Hilfe der Schwerkraft überall, nur nicht am angestammten Platz, lassen Grillgut und Verpackung samt halb aufgegessener Bratwurst dort, wo sie den letzten Bissen eingenommen haben und sind sicher, dass andere als sie selbst dafür sorgen werden, dass dieser Platz morgen wieder astrein aussieht und die Party weiter gehen kann.
Auch wenn diese Form der Ignoranz Bedürfnissen und Wünschen anderer gegenüber in Kindheit und Jugend generell eher verbreitet ist, tritt sie bei den meisten Menschen mit Eintritt in die Adoleszenz zugunsten eines eher sozial verträglicheren Verhaltens mehr und mehr in den Hintergrund. Bei Erwachsenen mit UzP findet diese Entwicklung nicht oder gar mit umgekehrtem Vorzeichen statt. Hier scheint sich das noch als natürlich zu bezeichnende Unvermögen bei Kindern und Jugendlichen zu einer persistierenden Behinderung auszuwachsen, die auf alle Lebensbereiche überschwappt und gegen Einflüsse von außen mehr und mehr immun zu werden scheint. In Freundschaften (so es sie gibt), Partnerschaft, Nachbarschaft, Berufsleben überwiegt die egozentrierte Perspektive und hat, was mit zu ihrer Beständigkeit beiträgt, nicht nur unerfreuliche Begleiterscheinungen, wie ich weiter unten aufzeigen werde.
Menschen mit UzP ist gemeinsam, dass sie sich an einer Stelle besonders gut auskennen, nämlich bei ihren eigenen Wünschen und Handlungen. Dass andere möglicherweise damit nicht kompatible Vorstellungen haben, ist für sie nur schwer nachvollziehbar. Sich vorzustellen, dass andere anders denken und fühlen, ist ihnen entweder nicht möglich oder zumindest nicht wichtig. Sie können es nicht nachempfinden und passen ihr Verhalten deshalb nur selten an die aktuelle Situation und die Menschen ihrer Umgebung an.
Insbesondere in Situationen, in denen sie ihre eigenen Belange argumentativ vertreten, gelingt es ihnen nicht, die Wirkung ihres Auftretens zu reflektieren und eine Vorstellung dazu zu entwickeln, wie es ihren Sozialpartnern damit geht.
Auf die Frage "Kannst du dir vorstellen, wie es mir geht?" müssten sie konsequent mit "nein" antworten. Ob es daran liegt, dass sie dazu nicht in der Lage sind, oder ob es auf Desinteresse zurückgeht, hängt von der sonstigen Persönlichkeitsausstattung ab.
__Der naiv-unbedarfte Typ
UzP vom naiv-unbedarften Typ gelingt es weitestgehend, ein normales Leben zu führen. Sie werden mehr mitgezogen, als selbst zu gestalten. Für ihre Mitmenschen sind sie zwar anstrengend, aber wenig schädlich und damit erträglich. Sie verstehen oft nicht, warum sie anecken, neigen aber nicht dazu, andere für alles Unglück verantwortlich zu machen und werden nicht aggressiv. Sie staunen eher darüber, wie Dinge sich entwickeln und haben dafür keine Erklärung (Beispiel: Sie bestellen bei einer Einladung das teuerste Gericht der Karte oder stellen nebenbei den Fernseher an, um ein Fußballspiel zu sehen, obwohl die Gäste noch am Tisch sitzen). Es gelingt ihnen nicht, sich ihre Wirkung bewusst zu machen, was sie manchmal von einem Fettnapf in den anderen treten lässt.
__Der kämpferisch-unterlegene Typ
Menschen mit UzP, die das Gefühl haben, auf der Schattenseite des Lebens zu stehen, sich von anderen und/oder der Welt benachteiligt sehen und meinen, unberechtigterweise den Kürzeren gezogen zu haben, neigen häufiger zu (verbal-)aggressivem Verhalten. Der Glaube, im Recht zu sein, verbunden mit der Unfähigkeit, eine andere als die eigene Sicht einnehmen zu können, führt zu einem Teufelskreis aus Angriff und Verteidigung, bei dem am Ende alle Beteiligte das Nachsehen haben. Die Vehemenz, mit der diese Menschen situativ oder generell auftreten, wirkt auch auf ihre Sozialpartner oft ansteckend, sodass es eher zu einem Schlagabtausch, als zu wechselseitigem Verständnis kommt. Egal ob der Betroffene als Sieger oder Verlierer vom Platz geht, fühlt er sich in seiner Sicht auf die Dinge bestärkt ("Dem hab ich's mal gezeigt", "Wusst' ich's doch, dass der mir nur schaden will.")
__Der kämpferisch-überlegene Typ
Hier tritt die UzP gepaart mit einer überdurchschnittlichen Schlauheit auf, wie sich Situationen zum eigenen Vorteil nutzen lassen. Besonders im beruflichen Kontext haben Menschen dieses Untertyps eine untrügliche Nase dafür, Kollegen, Mitarbeiter, Chefs aufzuspüren, auf deren Kosten sich eigene Vorteile realisieren lassen. Da sie keine Gefühle wie Mitleid oder Rücksichtnahme behindern, können sie Situationen für sich nutzen, ohne durch derartige Rührungen darin gebremst zu werden. Dieser Typ erreicht deshalb nicht selten hohe gesellschaftliche Positionen und erfährt kaum eigenen Leidensdruck, da die Vorteile deutlich überwiegen. Etwaige Nachteile wie persönliche Ablehnung kann er ohnehin nicht wirklich wahrnehmen, weshalb er dagegen immun ist. Menschen dieses Typs gehen oft massiv vor, nehmen Kollateralschäden billigend in Kauf, sofern sie sie jemals mitbekommen, und können häufig Erfolge bei der Verfolgung ihrer eigenen Interessen verzeichnen.
Menschen mit UzP haben weniger das Problem mit dem Verstehen ihrer Sozialpartner, als vielmehr mit dem Verständnis. "Andere wollen schlafen, drehen Sie endlich die Musik leiser". Die Kausalität solcher Aussagen erschließt sich diesen Menschen mit UzP nur unzureichend und entlockt vor allem dem kämpferisch-überlegenen Typ höchstens ein müdes Schulterzucken.
(An der Stelle sei die Frage erlaubt, ob dadurch "ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft" beeinträchtigt ist, im Sinne der Definition einer Behinderung, oder nicht vielmehr die Gesellschaft selbst darunter viel mehr leidet.)
Dass andere ihren weitschweifigen Selbstbeweihräucherungen nicht folgen wollen, dass sie die linke Fahrspur nicht räumen, obwohl man bereits die Lichthupe betätigt hat, dass andere sich aufregen, wenn man ihre Argumente verwendet (statt froh zu sein, dass sie überhaupt jemand gehört hat), dass andere die unzweifelhaften Vorzüge des Webergrills auf der Terrasse nicht schätzen, obwohl sie ebenfalls ein anständiges Steak grillen könnten, statt an einem Salatblatt zu mümmeln, ist für Menschen mit UzP unverständlich, was die Frage nach der Zuerkennung des Behindertenstatus wiederum aufwirft.
Aufgrund der mit der UzP einhergehenden scheinbaren oder tatsächlichen "Unverwundbarkeit" schaffen es viele der Betroffenen (insbesondere vom Typ kämpferisch-überlegen) in höhere Macht- und Führungspositionen. Die Eigenschaften ermöglichen es ihnen unpopuläre Entscheidungen zu treffen, andere zur Seite zu schieben und Nachteile, die diese möglicherweise in Kauf nehmen müssen, konsequent zu ignorieren bzw. gar nicht erst wahrzunehmen. Damit können sie eigene Interessen unbeschränkt in den Vordergrund stellen, was häufig persönliche Erfolge mit sich bringt, da unsere Gesellschaft ein solches Verhalten belohnt. Die UzP wird in verschiedenen Kulturen und Unternehmenskulturen nicht als Einschränkung gesehen, sondern im Gegenteil, als klare Zielorientierung und Unbeirrbarkeit positiv konnotiert. Sie gilt als männlich und machtvoll, als Ausdruck von Führungsstärke und Autorität. Kurz, sie prädestiniert im klassischen traditionellen Businesskontext zum Aufstieg und zur Erweiterung des Einflussbereichs.
Da sich bei den Inhabern von Machtpositionen in Wirtschaft und Politik bereits überproportional viele Vertreter mit eben dieser Symptomatik finden, wird sie gar nicht mehr als Einschränkung angesehen, sondern im Gegenteil, als normal oder gar günstig, was weitere Beförderungen nach sich zieht. Da andere, die sich in diesem Umfeld unverstanden, missachtet, überrumpelt, benutzt, missverstanden und übergangen fühlen oft freiwillig das Feld räumen, bleiben die Symptomträger unter Ihresgleichen, was die Eigenwahrnehmung der persönlichen Unzulänglichkeit weiter erschwert.
Der häufig mit der beschriebenen Dynamik einhergehende berufliche und damit auch finanzielle Erfolg macht es diesen Menschen oft leicht, einen anerkannten gesellschaftlichen Status zu erreichen. Somit finden sich nicht selten attraktive Menschen im Umfeld der Betroffenen, was auch der Partnerwahl zuträglich ist. Das mindert gleichfalls bei vielen den potenziellen Leidensdruck. Im Trade-off Schönheit vs. Macht spielt ein Kriterium wie Empathie keine vordergründige Rolle.
Kritisch für die Allgemeinheit wird es allerdings, wenn die Position, die der Symptomträger innehat, mit allzu großen Befugnissen und öffentlicher Präsenz verbunden ist. Wie im Falle des derzeitigen amerikanischen Präsidenten lässt sich das Risiko nicht wieder gut zu machender Kollateralschäden im Einflussbereich des Betroffenen nicht mehr ausreichend kontrollieren.
Wie in fast jeder Therapie, hängt der Erfolg auch bei dieser Störung maßgeblich vom Leidensdruck des Patienten ab und damit von seiner Bereitschaft, an der Heilung mitzuwirken. Therapieversuche und private Hilfsangebote brachten, selbst bei den mehr kooperativen Klienten vom naiv-unbedarften Typ, bis heute nur wenige Erfolge. Versuche, das Blickfeld zu erweitern ("Ich nehme wahr, dass du/Sie ...", "Ich verstehe Ihre Sicht auf die Dinge, die ... ", "Wenn ich mich in Ihre Situation versetze, dann ...") scheitern meist daran, dass die Betroffenen die Floskel zwar kontextadäquat verwenden können, letztlich aber nicht wissen, wie sie den Satz plausibel zu Ende bringen sollen. Es bleibt bei der Symptombekämpfung, ohne dass die Ursachen wirklich im kurativen Sinn bearbeitet werden können.
Bei kämpferisch-überlegenen Typen scheinen die gesellschaftlichen Vorteile, die sie aufgrund ihres Verhaltens erzielen können, einen wesentlichen, erfolgsverhindernden Einfluss auf die Heilung zu haben. Die Symptomträger erreichen ohne große Umwege vieles, was Menschen nicht gelingt, die mit Rücksicht auf andere und deren Belange und Gefühle agieren, sodass der subjektive Leidensdruck der Betroffenen, trotz der Schwere der Störung, gering bis nicht vorhanden scheint. Eine therapeutische Einflussnahme ("Wozu?") ist damit nicht möglich. Erklärungsversuche, die verdeutlichen sollen, dass andere sehr wohl einen Grund sehen, an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten, um mehr Sensibilität für andere zu entwickeln, scheitern erwartungsgemäß an genau der Kernsymptomatik der Störung selbst.
Unterscheiden muss man die Fähigkeit zum Perspektivwechsel bzw. ihre Abwesenheit von anderen Erscheinungsformen, die z.B. aus verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften resultieren.
Verwechselt werden kann Sie mit
_Gefühllosigkeit - Menschen mit UzP fühlen u.U. eine ganze Menge, aber eben die eigenen Gefühle und nicht die anderer. Deshalb sind einige auch leicht reizbar und aus der Ruhe zu bringen.
_Rücksichtslosigkeit - Menschen mit UzP schauen möglicherweise zurück, sehen aber nichts. Eine ungute Absicht kann ihnen deshalb nicht ohne weiteres unterstellt werden.
_Gemeinheit/Grausamkeit - Menschen mit UzP möchten nicht in erster Linie anderen schaden, sie kennen nur die eigene Sicht auf die Dinge und stellen demzufolge die eigenen Interessen in den Vordergrund. Es geht ihnen nicht darum, andere bewusst zu verletzten.
-Sturheit - Menschen mit UzP haben eine Neigung auf dem eigenen Standpunkt stehen zu bleiben, denn diesen kennen sie gut. Die Vorstellung, dass es auch andere geben kann, dass die Wahrnehmung einer Situation auch andere Schlussfolgerungen zulässt, ist für sie nicht oder - in leichteren Fällen - kaum nachvollziehbar. Während Sturheit eine Art generalisierten Widerwillen darstellt, verlassen Menschen mit UzP ihre Position nicht, weil sie subjektiv einen Schritt ins Ungewisse tun würden.
Nicht auszuschließen ist allerdings, dass es im Verlaufe der Sozialisierung zu Komorbiditäten kommt. Es gibt Anzeichen dafür, dass vor allem der aggressiv-unterlegene Typ sowie der kämpferisch-überlegene Typ im Sinne des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit ("Big 5"), eine niedrige Ladung auf dem Faktor Verträglichkeit haben. Damit können Eigenschaften wie streitbar, egozentrisch, misstrauisch einhergehen, die sich auch in Rücksichtslosigkeit oder gar Gemeinheit zeigen können.
Auch wenn von außen betrachtet die Einschränkung "Unfähigkeit zum Perspektivwechsel" mit erheblichen Konsequenzen für das Umfeld einhergeht, scheint es für die Betroffenen selbst weniger gravierend zu sein (siehe dazu auch den Abschnitt Therapie). Insofern entsprechen sie zwar einerseits der Definition der Behinderung, das sie "länger als 6 Monate von ihrem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen", andererseits kämpfen weniger sie selbst, als vielmehr ihr Umfeld mit Beeinträchtigungen durch "ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft". Kann man daraus schon ableiten, dass Ihnen eine Behinderung abgesprochen werden kann?
Aus persönlicher familiärer Erfahrung dürfen wir sagen, dass ein Kind mit Down-Syndrom, das anerkannt als schwerbehindert gilt, an verschiedenen Stellen deutlich mehr Fähigkeiten besitzt und mit feinen Antennen spürt, wenn es anderen nicht gut geht. Es ist ein hervorragender Tröster und Kümmerer und spürt vieles, was es vielleicht intellektuell nicht begreifen kann.
Auch Menschen, die sich besonders gut in andere einfühlen können, die oft schon spüren, was in der Luft liegt, ohne mit anderen gesprochen zu haben, die bei Filmen mitweinen, obwohl sie reine Fiktion sind, werden mitunter als krank bezeichnet und es wird ihnen eine Therapie nahegelegt. Müsste die Störung UzP dann nicht mindestens auch in das ICD-10 aufgenommen werden, um das Recht auf eine Heilbehandlung ableiten zu können?
Die Diskussion kann hier nicht abschließend geführt werden, dazu sind vermutlich noch weitere Forschungen und empirische Untersuchungen notwendig, selbst wenn die Entscheidung dadurch weiter hinausgeschoben wird. Das Merkzeichen "G" auf dem Behindertenausweis (d.h., der schwerbehinderte Mensch ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt) wird voraussichtlich ohnehin nicht zur Diskussion stehen, obwohl einige UzP sich nachweislich von anderen Verkehrsteilnehmern in ihrem zügigen Fortkommen behindert sehen. Ohne diesen Zusatz würde ihnen weiterhin das Recht abgesprochen, auf gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen zu parken. Möglicherweise macht dieser Umstand die Zuerkennung eines Behindertenstatus für die Betroffenen sowieso weniger attraktiv und die Verzögerung einer Entscheidung für sie weniger belastend.
* Achtung Ironie - Menschen, die aufgrund einer tatsächlich vorhandenen Störung oder Krankheit vergleichbare Einschränkungen haben, sind hier nicht gemeint.